C Berggespür KIettersteig Karhorn © Markus Moosbrugger / Vorarlberg Tourismus
Berggespür – Glatte Wand, weiche Knie, reger Geist
Wie Berggespür mich die Berge lieben lehrte
C Berggespür KIettersteig Karhorn © Markus Moosbrugger / Vorarlberg Tourismus
Wie Berggespür mich die Berge lieben lehrte
Während wir bei Berggespür körperlich sehr aktiv sind, scheint der Geist, der eigentlich ruhen darf, so richtig aufzuwachen. Ich träume nachts. Und untertags sehe, spüre und höre ich in ungewohnter Klarheit und Intensität.
TEXT: ISABELLA NATTER-SPETS
Ich hatte nicht damit gerechnet. Denn am Tag eins wird noch nichts Großes passieren, hatte ich mir kurz vor dem Treffpunkt mit der Gruppe gesagt. Und das Klettern, vor dem ich am meisten Respekt hatte, kommt laut Plan ja erst am Tag 3. Jetzt gleich, da geht es ums Hallo sagen, zum Hotel gehen, einchecken, die anderen kennenlernen, ein bisschen Information von den Bergführern, ein paar Schritte gehen. Nur drei Stunden später habe ich – in dieser Reihenfolge – das alles erlebt: Verwunderung, Sorge, Überraschung, Genuss, Vorsicht, Klarheit, Gruppengefühl, Freude, Müdigkeit, Ruhe – körperlich und geistig.
Denn Berggespür führt gleich am ersten Tag hinauf zur Höferspitze. Zu einer Zeit, zu der „normale“ Wanderinnen und Wanderer ihr Tagesziel bereits erreicht haben, steigen wir – einem schmalen Hochgrat folgend und mit Stirnlampe im Gepäck – Richtung Gipfel. Da es sich gerade anbietet (ein Sturm zieht auf) erleben wir zum ersten Mal in dieser Woche das pädagogische Talent von Moses und Rainer, den beiden Bergführern. Sie erklären unserer kleinen Gruppe, was man über Wetterumschwünge am Berg wissen muss. Und sie geben Tipps und Tricks zum richtigen Verhalten bei Berggewittern. Am Gipfel, von dem aus wir einen wetterbedingt dramatisch schönen Sonnenuntergang erleben, werden aus den Bergführer-Rucksäcken Vorarlberger Bergkäse, saftige Äpfel und knuspriges Brot gezogen, geteilt und genossen. Ich schaue in die Berge und in die Runde. Spüre den kühlen Wind, die Nacht und bewundere den Mond. Er hat sich für einen schönen Platz entschieden – genau zwischen zwei der gegenüberliegenden Gipfel.
Ich schaue in die Berge und in die Runde. Spüre den kühlen Wind, die Nacht und bewundere den Mond.
Vier Tage später, um sechs Uhr früh klingelt der Wecker. Etwas ungelenk (ich diagnostiziere leichten Muskelkater!) aber vorfreudig steige ich aus dem Bett und schlüpfe in meine Radler-Klamotten. Dabei bin ich etwas unsicher, ob das schon stimmt – heute wird e-Bike gefahren und nicht geklettert, abgeseilt oder geschwommen?
Meine Verwirrung legt sich rasch: mir fällt der gestrige Abend ein, als wir alle sieben – meine vier neuen Bergkolleginnen und -kollegen sowie Rainer und Moses gemeinsam unten in der holzgetäferten Stube des Hotels saßen und dabei der Vorfreude frönten. Abends, vor dem Zu-Bett-Gehen haben wir, wie jeden Abend bisher, in den kommenden Tag hineingefühlt – eine schöne Routine, die sich von Anfang dieser Woche an ganz natürlich entwickelt hat.
Am Frühstückstisch begrüßt mich mein Team. Es besteht aus Menschen, von deren Existenz ich bis vor ein paar Tagen nichts wusste, die ich aber schnell gut kennengelernt habe: wie sie ticken, wie sich lachen, wie sie gehen – aufwärts und abwärts, wie gern oder eben ungern sie sich fordern lassen, welche kulinarischen Vorlieben sie haben, welche Themen sie begeistern und welche Fragen sie interessieren. Hier sitzen sie – ausgeschlafen, manche noch wortkarg, andere schon gesprächig. Heute liegen etliche Kilometer mit dem E-Bike vor uns, dann umpacken und Aufstieg zur Wiesbadener Hütte – unserem Base Camp, denn morgen geht es – sofern das Wetter (und meine Beine) mitspielen – mit Steigeisen über den Gletscher auf den Piz Buin – Vorarlbergs höchsten Berg.
Carola erzählt mir beim Müsli was sie heute Nacht Verrücktes geträumt hat. Ich kann nur nicken: Während wir bei „Berggespür“ körperlich sehr aktiv sind, scheint der Geist – der eigentlich ruhen darf – so richtig aufzuwachen: Auch ich träume nachts. Und untertags sehe, spüre und höre ich in ungewohnter Klarheit und Intensität.
Mein Kopf scheint nachzuahmen, was mein Körper dieser Tage tut: er steigt auf Gipfel, er setzt bewusst einen Schritt nach dem anderen, taucht ein ins Kühle, er strengt sich an und ruht sich aus, er genießt den Weitblick. Der Kopf beweist – vielleicht weil er nicht muss – Ausdauer.
Aber nicht nur der Kopf verhält sich bemerkenswert während dieser Tage. Auch meine Sicherheit in Bezug auf das Unterwegssein im Alpinraum wächst. Der Klettersteig aufs Karhorn am zweiten Tag war für mich eine ziemliche Überwindung. Ich hatte gerade einen inneren Monolog zum Thema Höhenangst begonnen, als Stefan meine Wortkargheit bemerkte und mich mit Geschichten von seinem Nachbarschaftsprojekt in Köln den ganzen Klettsteig entlang unterhält. Und bevor ich Gelegenheit hatte, wieder in die Unsicherheit zu verfallen, war der Klettersteig geschafft! Am dritten Tag (der im Wochenplan als „Kletter-Tag“ steht und den ich daher etwas gefürchtet hatte) bin ich schon so im Flow, dass das Klettern und Sichern sich richtig leicht anfühlen. Ich bin konzentriert und dabei entspannt – Wow! Die Spullerplatten, die wir – Spinnen gleich – hinaufklettern, sind von einer ganz eigenen Schönheit – grau, glatt und vom Wasser vertikal gefurcht. Es würde nicht wundern, man stellte fest am Mond unterwegs zu sein.
Um nicht vollends übermütig zu werden und mich ab diesem Zeitpunkt als neue Heldin der Berge zu verstehen, hat mich der gestrige Tag wieder etwas Demut gelehrt: Eigentlich war es „nur“ ein Wandertag. Aber das mir bisher gewohnte Wandern auf bekannten Wegen ist eben nicht dasselbe. Nicht dasselbe wie das, was Bergführer tun, wenn sie wandern: Auf Schmugglerpfaden, fast in Vergessenheit geratenen alpinen, verschlungenen Wegen durch Landschaften, die beeindruckend schön und beeindruckend einsam sind, hinauf und hinunter und wieder hinauf zu einem kleinen Bergsee. Dort kühlten wir uns ab, die Mutigen schwammen eine Runde. Am Rückweg in Richtung Silbertal gab es Heidelbeeren, beinahe soweit das Auge reichte. Aber nicht nur viele Heidelbeeren, auch viele Höhenmeter im Abstieg ins Silbertal. Zuviele für eine derart neue Heldin der Berge… Mit weichen Knien und wiedererlangter Demut kam ich also im Hotel an.
Meine Sicherheit in Bezug auf das Unterwegssein im Alpinraum wächst.
Und heute geht es also mit dem E-Bike auf die Bielerhöhe und dann wandernd auf die Wiesbadener Hütte, darauf freue ich mich. Morgen ist das Grande Finale geplant: wir gehen frühmorgens um 4.00 Uhr – vor allen anderen – mit Steigeisen über den Gletscher auf den Piz Buin. Wie das sein wird? Davon hab ich eine sehr klare Vorstellung. Denn mein Mann war bei der allerersten Berggespür-Tour dabei. Seine lebhafte und begeisterte Erzählung vom Piz Buin haben klare Bilder in meinem Kopf hinterlassen: Wie wir heute abend, auf der Hütte zusammen eine gute Portion Material- und Gletscherkunde von Moses und Rainer bekommen werden, wie wir Karten lesen und Wetterbeoachtung machen. Wie wir im Nebel aufsteigen, die Luft spürbar dünner wird und damit das Gehen nicht leichter. Wie genau am Gipfel, den wir mit keinem anderen Menschen teilen müssen, die Sonne aufgeht und die Berge im Montafon, von Tirol, Italien und der Schweiz erleuchten lässt.
Wie sich die Piz-Buin-Euphorie allerdings genau anfühlt, davon werde ich mich überraschen lassen. Ich habe aber so ein Gefühl, dass es wunderbar wird. Schließlich habe ich in den letzten Tagen etwas Neues erlernt und kann es nutzen: das Berggespür.
Berggespür Vorarlberg, das ist der inspirierende Einstieg in die vielfältigen Bewegungsformen am Berg für Outdoorsport-Begeisterte: Mit den feinsinnigen Vorarlberger Bergführern geht es beim Wandern abseits bekannter Pfade zum Sonnenuntergang, es geht auf den Klettersteig, zum Sportklettern, Schwimmen im Bergsee, E-Biken und auf eine Hochtour.
Mehr Infos: Berggespür Vorarlberg