C Haus Steurer Reuthe Bregenzerwald (c) Peter Rigaud
Das Haus zur schönen Aussicht
Der reduzierte Bau ist in seiner Offenheit und den schlau angelegten Sichtachsen eine Hommage an das Land und die Landschaft
C Haus Steurer Reuthe Bregenzerwald (c) Peter Rigaud
Der reduzierte Bau ist in seiner Offenheit und den schlau angelegten Sichtachsen eine Hommage an das Land und die Landschaft
Auf den ersten Blick wirkt das Haus von Familie Steurer zwischen den benachbarten Satteldächern wie ein Querkopf im Bregenzerwald.
TEXT: JULIA GROSSE
Wer den minimalistischen, grauen Treppenflur von Familie Steurer hinaufsteigt, hat immer ein bisschen das Gefühl, er wandere gerade auf einem von Steinhängen umgebenen Bergpfad. Denn ganz oben, am Ende der Treppe, eröffnet ein großes Terrassenfenster einen Blick direkt ins Grüne. Sich launig wölbende Hügel, dichter Wald bis fast hoch zu den Gipfeln. Nach der letzten Stufe steht man schließlich im Hauptbereich des Familiendomizils, doch es fühlt sich an, als habe man sich gerade nicht durch ein Haus, sondern mitten durch die Natur bewegt.
Als „Felsschlucht“ beschreibt Familie Steurer ihren Flur mit seinen Sichtbetonwänden auch manchmal gern. Dabei ist dem aufs Wesentliche reduzierten Bau mit seinem Flachdach, gelegen am Hang der kleinen 600-Einwohner-Gemeinde Reuthe im Bregenzerwald, die Nähe zur Natur zunächst gar nicht unbedingt anzusehen. Umringt von gemütlichen Satteldächern wirkt er wie ein cooler Querkopf. Ein Quader aus Stahlbeton, der außen zum Teil schwarz gestrichen oder mit rostrotem Aluminium verkleidet ist, dazu sehr viel Glas, soweit die Augen der Steurers in die Landschaft schauen wollen. Ein großes Panoramafenster streckt sich über den Wohnbereich und die große Küche auf 15 Metern entlang wie eine Breitbandleinwand, auf der die Natur zwölf Monate ihre Jahreszeiten präsentiert. Man sieht alles, das Tal, die Wiesen, die majestätisch daliegenden Berge. „Uns ging es darum, das Haus einerseits Richtung Osten zu öffnen, um die tolle Aussicht über den Nachbarort Bezau mit den dahinterliegenden Bergen einzufangen“, sagt Paul Steurer. „Gleichzeitig wollten wir das Haus in Richtung Westen öffnen, zum steil ansteigenden Hang mit Waldrand.“ Durch schlau gelegte Sichtachsen stehen Natur und Landschaft im Mittelpunkt und sind im ganzen Haus wahrnehmbar.
Es ist eine ganz besondere Lage, mit Qualitäten, die wir komplett ausnutzen wollten.
„Wir wollten unser Haus auf jeden Fall reduziert, sowohl vom Material, als auch von der Formensprache her“, sagt der junge Architekt Paul Steurer und schubst den zufrieden grinsenden Sohn Moritz in seiner Filzschaukel an, die von der Betondecke hängt. Hier, im oberen Stock, bildet das Treppenhaus gleichzeitig auch den Betonkern, um den herum sich das Leben flexibel ausbreitet: Auf der einen Seite des Treppenhauses liegt das große Wohnzimmer, auf der anderen die große Küche mit langem Esstisch und dahinter, dezent abgetrennt, der Badezimmer- und Schlafbereich der Eltern. Decke und Wände sind im großzügigen Wohn- und Küchenbereich aus Sichtbeton, für die Kinderzimmer im Erdgeschoss und den elterlichen Schlafbereich wollte die Familie bewusst ein ruhiges, gemütliches Weiß.
Wenn bei den Steurers am Tag das Alltagsleben tobt, bleiben alle Schiebetüren auf und die Kinder können endlos durch die Räume rennen und Fangen spielen. Will man abends mehr Abgeschlossenheit, zieht man vor das Panoramafenster einen weißen Vorhang und schließt den Wohnbereich mit einer grauen Schiebetür. Das Grau passt dabei so perfekt zum tatsächlichen Grau des Sichtbetons, dass die Tür nahtlos in die Wand überzugehen scheint. Paul Steurers Zwillingsbruder ist Tischler und hat bei vielen wichtigen Details, von der Stiege bis zu den Schiebetüren, mitgeholfen. Zwei Jahre saßen der Architekt und seine Frau Susanne an all den vielen Details ihres neuen Hauses, bis sie 2007 mit dem Bau begannen. Und genau in diesen Details steckt nicht zuletzt auch eine kleine Hommage an die handwerkliche Perfektion, eine Qualität, die in Vorarlberg und insbesondere im Bregenzerwald schon fast selbstverständlich ist.
Wir wollten unser Haus reduziert:
beim Material und in der Form.
Vor ihrem Umzug in das Haus lebten die Steurers in einer Wohnung in Dornbirn. Zwischen der größten Stadt Vorarlbergs und der ländlichen Gegend der Gemeinde Reuthe liegen gerade einmal 22 km. Und es verdeutlicht, wie vielseitig man die Landschaft Vorarlbergs innerhalb kurzer Zeit erleben kann, vom See bis zum Hochgebirge. „Wir waren an den Wochenenden oft hier bei den Schwiegereltern – die wohnen direkt daneben. Von der Vorstellung, hier an dieser Stelle unser eigenes neues Haus zu bauen, waren wir sofort begeistert.“ Auf der Terrassenseite hat die Familie die direkte Nähe zum Naturraum durch den grünen Hang: Die beiden Kinder müssen nur ein paar Schritte über die Terrasse tippeln und stehen gleich im Naturgarten – direkt auf der Bergwiese. Im Sommer grasen hier die Kühe, im Herbst leuchten die Blätter in bester Indian-Summer-Manier.
Und nach vorne raus nutzen wir mit den wandhohen Fenstern natürlich den Blick auf das Panorama aus. So haben wir wirklich beides.
Eine reduzierte Holzbox, wie sie in Vorarlberg längst zur Landschaft gehört wie jedes historische Bauernhaus, war für die Steurers schon deshalb kein Thema, weil das Untergeschoss in den Hang hineinragt und betoniert werden musste. Ein Betonhaus zu bauen und dann so tun als sei es ein Holzhaus, das reizte sie nicht. „Zudem hat sich Holz bei der unmittelbar umliegenden Bebauung der Nachbarn nicht wirklich aufgedrängt, weil wir hier nicht umringt sind von neuer oder historischer Holzarchitektur“, sagt Paul Steurer.
Im Erdgeschoss, das zur Hälfte im Hang steckt, befinden sich die Kellerräume. Die hellen Kinderzimmer liegen direkt gegenüber und blicken ins Tal. Und wenn Familie Steurer an schönen Tagen die Natur nicht nur sehen, sondern auch riechen und hören will, öffnet sie nur die Terassentür. Wasser plätschert aus einer Bergquelle direkt in den minimalistischen Betontrog, und der Wiesenduft erfüllt die Räume. Vor allem, wenn der Bauer gerade gemäht hat. Natur und Hochmodernes haben selten so gut zusammen ausgesehen.
Das Haus nutzt bewusst beide Lagen aus: die direkte Nähe zur Natur durch die Position am Hang und den atemberaubenden Blick auf der anderen Seite auf das Panorama. Familie Steurer tüftelte zwei Jahre an den Details. So zieht sich über die Sichtbetonwände der Abdruck von echtem Holz. Das junge Paar wünschte sich ein minimalistisches Wohnhaus inmitten der Landschaft, in der beide aufgewachsen sind. Weniger ist stilistisch gesehen immer mehr: Die Küche wurde so gestaltet, dass man nicht das Gefühl hat, in einer Küche zu sein. Alles verschwindet hinter reduzierten, weißen Elementen. Im Wohnzimmer versteckt sich ebenfalls alle sichtbare Technik. Fernseher und Stereoanlage stehen elegant hinter Sideboards und Schrankelementen.