C Werkraumhaus Andelsbuch (c) Peter Rigaud
Werkraum Bregenzerwald
Das offene Werkraumhaus mit der gläsernen Fassade – gebaut von Architekt Peter Zumthor und lokalen Handwerkern
TEXT: JULIA GROSSE
Mindestens einmal in der Stunde hört man auf der Hauptstraße von Andelsbuch ein leichtes Quietschen. Autos, in der Regel ortsfremd, bremsen abrupt ab, nicht etwa wegen der Blitzanlage, sondern wegen der Architektur! Mitten am Platz steht dort seit 2013 ein minimalistischer Glasbau mit ausladendem, dunklem Holzdach, entworfen vom renommierten Schweizer Architekten Peter Zumthor und errichtet von Handwerkern aus der Region. Das Werkraumhaus wirkt mit seiner gläsernen Fassade, durch die die Landschaft regelrecht zu fließen scheint, so ungewöhnlich und einladend, dass Reisende spontan anhalten und sich an einen der Holztische setzen, die gemütlich im Innenraum und an warmen Tagen unter dem Schatten spendenden, ausladenden Dach stehen.
Nirgendwo in Europa gibt es eine so hohe Dichte an Handwerksbetrieben wie im Bregenzerwald, mit über Generationen vermitteltem Wissen und Können einer ganzen Region. Das Werkraumhaus ist ein offener Ort für dieses Können, eine Verneigung vor dem regionalen Handwerk, aber auch vor der Innovation, dem Wagemut und dem präzisen Blick für neue Formen.
Für Peter Zumthor ist das Werkraumhaus ein gemeinsames Projekt zwischen ihm und den Handwerkern. Für seine Vorstellungen braucht er gute Handwerker, deshalb ist ihm diese Zusammenarbeit wichtig.
Handwerker aus der Region zeigen im Werkraumhaus ihre Arbeiten
Ein interessierter Laie würde sicherlich gern einmal sehen, wie ein filigraner Stuhl eigentlich hergestellt wird, doch kann er nicht einfach in eine Tischlerei hineinspazieren. „Man kann uns also als Schauraum und Bindeglied zu den vielen regionalen Betrieben verstehen, indem wir ihre Arbeiten bei uns präsentieren.“ So widmete sich die Werkraumschau kürzlich den rund 90 Mitgliedsbetrieben – Tischler, Polsterer, Schuhmacher, Schneider, Goldschmiede, Blumenbinder und Filzer –, die auf der gesamten Fläche ihre Objekte zeigten: Wie an einem perfekten Ort aus Qualität und gutem Stil verbrachten Besucher hier ganze Nachmittage, betrachteten Kinderschaukeln aus leuchtendem Filz, strichen über Tische aus Ahorn oder zogen perfekt getischlerte Schubladen heraus.
Dem neugierigen Staunen der vielen Besucher begegnet das reduziert wirkende Werkraumhaus mit seiner Glasfassade und den Sichtbetonwänden mit Gastfreundlichkeit: Drinnen serviert die Wirtschaft den Besuchern ein Mittagsmenü, Getränke, Kaffee und selbst gemachten Kuchen. Und soll der Raum für kleinere Veranstaltungen etwas intimer wirken, zieht das Team einfach an den schweren, weichen Lodenvorhängen, die von der dunklen Holzdecke hängen.
Andelsbuch empfängt Gäste mit einer Idylle aus Wiesen und Holzhäusern
Dabei ist das Werkraumhaus nicht das einzige minimalistische Bauwerk im Ort. Zwar empfängt einen Andelsbuch in architektonisch-uriger Idylle aus Bergwiesen und verzierten Holzbalkonen mit leuchtenden Geranien. Doch die Beschaulichkeit trügt: Gegenüber dem Werkraumhaus steht der zweigeschossige Holzkubus des Andelsbucher Gemeindehauses, elegant gealtert wie ein Hollywoodstar mit guten Genen: Das Holz hat in aller Seelenruhe den typischen, graubräunlichen Ton angenommen – für Kenner ist das der schönste Farbzustand. Ein paar Meter entfernt steht das ebenfalls aus Holz gebaute, neue Quartier der Wälder Versicherung. Und mittendrin sitzt das Werkraumhaus. Ein bisschen so, als sei es im Grunde immer schon da gewesen. Ein einladender, bescheidener Ruhepol, dessentwegen auch in Zukunft noch so einige Vorbeifahrende ihr Tempo drosseln werden.
Das Holz hat in aller Seelenruhe den typischen, graubräunlichen Ton angenommen – für Kenner ist das der schönste Farbzustand.
Werkraum Bregenzerwald: Kurz das Wichtigste
Versammlungsort für die Mitglieder und als sprichwörtliche Vitrine für das Handwerk: Das sind die zwei Grundgedanken des Entwurfs von Architekt Peter Zumthor. Das Haus soll ein Ort des Kontakts zwischen Handwerk und Kundschaft sein, wo die Vorzüge handwerklich gefertigter Produkte anschaulich und einfallsreich vermittelt werden.
- Im Winter und Frühjahr werden in der Werkraumschau die Produkte der Mitgliedsbetriebe ausgestellt
- Im Sommer und Herbst sind Themenausstellungen zu Handwerk, Design und Baukultur zu sehen
- Die 700 qm große Halle kann flexibel bespielt werden, als Ausstellungsfläche oder Ort für Konzerte, Bälle und mehr
- Das dunkle, charakteristische Dach hat eine Länge von 72,60 Metern, die Gebäudehöhe beträgt 7,80 Meter
- Erschienen: eine DVD zur Baudokumentation. „WerkRaum – 80 Bregenzerwälder Handwerker bauen ihr Haus mit Peter Zumthor“