C Blick aus Panoramaraum im Vorarlberg Museum © Gregor Lengler / Vorarlberg Tourismus
Stadterlebnis in Bregenz
Unterwegs mit austriaguide Sabine Spiegel
C Blick aus Panoramaraum im Vorarlberg Museum © Gregor Lengler / Vorarlberg Tourismus
Unterwegs mit austriaguide Sabine Spiegel
Warum das Herz der Stadt am Wasser liegt, weiß austriaguide Sabine Spiegel. Auf ihrer Tour durch Bregenz verrät sie auch, wo man hier am besten über Kunst streiten kann.
TEXT: KORNELIA DIETRICH
Fangen wir doch am besten ganz oben an, in der gemütlichen Oberstadt: Nur eine Handvoll kleiner Straßen, früher von einer Ringmauer umgeben und von mehreren Türmen bewehrt – so sah die Burgsiedlung aus, die die Grafen von Monfort auf dem Hügel über dem Bodensee im 13. Jahrhundert errichteten. Wir stehen unter dem noch erhaltenen Tor des mächtigen Hauses am Ehregutaplatz 1 und schauen uns um: überall mittelalterliche Häuser, Kopfsteinpflaster, Fensterläden, viel Fachwerk. „Hier oben gibt es kein Hotel, kein Restaurant, keine Bar“, erzählt Sabine Spiegel, „es können bis heute also nur die über Nacht bleiben, die hier wohnen.“ Und das ist eine kleine Gemeinschaft, die sich kennt und die ihre Plätze und Vorgärten liebevoll pflegt: Feigenbäume, Rosenstöcke, Lavendel, alles blüht und duftet, auch zur Freude der Spaziergänger, die von oben den Blick über Stadt, Land, Berg und See genießen.
Sabine Spiegel ist ein austriaguide, eine staatlich geprüfte Gästeführerin. Mindestens eine Fremdsprache sprechen austriaguides und sie bilden sich regelmäßig weiter – viele bieten auch interessante Themenrundgänge an. Für Urlauber ist Spiegel eine Botschafterin, die ihnen die Vorarlberger Landeshauptstadt Bregenz nahebringt. Etwas anstrengen muss sich die Kapitale, sie ist nicht überall augenfällig schön, ihr Herz ist keine malerische Altstadt. Bregenz ist eine pulsierende Geschäftsstadt – direkt am Wasser gelegen. Alle zieht es früher oder später ans Ufer des Bodensees, doch dazu gilt es zunächst, die breite Durchgangsstraße und dann die Bahntrassen zu überqueren.
Aber vielleicht ist es ein Segen, dass Bregenz nicht nur malerische Winkel hat – zeitgenössische Künstler hatten es hier immer leicht, ihre Markierungen zu setzen: Riesig groß hat Heinz Gappmayr die Zahl 0,0000000001 mm in der Rathausstraße auf eine Hauswand gemalt. Eine sehr kleines Längenmaß in überdimensionaler Schrift – jeder, der vorbeigeht, bleibt mit seinem Blick daran hängen. Fremde Menschen diskutieren gemeinsam über die Bedeutung der Zahl, genau wie es der Künstler gewollt hat. Ein Stolperstein, ein Innehalten im Alltag, visuelle Poesie.
Die Kunst im öffentlichen Raum ist eine Stärke von Bregenz, das macht ihren Charme aus: Überall gibt es spannende Werke zu entdecken.
Vor allem natürlich im KUB, im Kunsthaus Bregenz. Der Bau polarisiert: Der Schweizer Architekt Peter Zumthor schuf hier einen schlichten Kubus, der mit großen Glasschindeln verkleidet ist. Sie nehmen die Farbe des nahen Sees auf, dunkelgrau wirkt die Fassade bei Regen, hellblau an Sonnentagen. Künstler haben die hohen, eleganten Räume von Anfang an geliebt: Miriam Kahn, Mika Rottenberg und Simon Fujiwara etwa haben seit der Fertigstellung 1997 große Ausstellungen installiert. Nicht so sehr liebten manche Bregenzer ihr neues Kunsthaus. Zu schmucklos schien es vielen, daran änderten auch die renommierten Architekturpreise nichts. „Ich habe mich anfangs auch schwergetan“, erinnert sich Sabine Spiegel.
Aber irgendwann war es, als wäre ein Schalter umgelegt. Ich habe festgestellt, dass ich im Inneren des Hauses ganz ruhig werde, als würde der Bau mich runterbringen – das hat der Architekt bestimmt so geplant.
Auch das zweite berühmte Museum hat Widerspruch ausgelöst: Für das vorarlberg museum, wie das KUB unweit des Bodensees am Kornmarktplatz gelegen, wurde auf die denkmalgeschützte Fassade der ehemaligen Bezirkshauptmannschaft ein weißer Sockel aufgesetzt, verziert mit Betonblüten, die der Künstler Manfred A. Mayr in Böden von PET Flaschen gegossen hat – was nicht jedem in Bregenz gefallen hat. Drinnen wartet aber ein so großartiges Erlebnis, dass viele Kritiker versöhnt sind: Im vierten Stock gibt es eine Art überdimensionale Camera obscura, ein dunkler Panoramaraum mit einem Fenster, das die ganze Wand einnimmt und den Blick auf den See freigibt. „Wow, das hätte ich nie erwartet!“, flüstert ein Mädchen.
Jeden zweiten Dienstag im Monat treffen sich Menschen im Museum zum „Erzählcafé“. Die Themen: das liebe Alter, Gemeinschaft und Zusammenhalt oder auch – Heimat Vorarlberg. Dann kommen Besucher zu Wort und über die oft anrührenden Beiträge miteinander ins Gespräch – ein ungewöhnlich schöner Ort der Begegnung. „Die Seepromenade ist das Herz von Bregenz“, sagt Sabine Spiegel. Hier pulsiert das Leben, wenn auf dem Fischersteg die Bar zum Apero öffnet und Besucher auf dem Weg zur Seebühne in aufgeregter Vorfreude über die Opernaufführung sprechen. Hier kann man sich von der Begeisterung anstecken lassen, eintauchen in die flirrende Atmosphäre zwischen Festspielhaus und dem kühnen Bau des Casinos.