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Langen am Arlberg © Darko Todorovic / Vorarlberg Tourismus

Wir sind dann mal wieder weg

Sommer auf der Alpe

Geschichten
aus Vorarlberg

Reportage

Älpler-Familie Riedmann

Jedes Jahr im Sommer verlässt Familie Riedmann mit Sack, Pack, Kindern, Katze und Hund das eigene Haus und zieht auf die Alpe Albona bei Langen am Arlberg. Weil‘s schön ist.

Martin Riedmann erinnert sich noch genau, 2002 war das, der Frühling stand vor der Tür.
„Wir hatten unser Haus fertig gebaut, den Garten, alles. Andere Leute fahren dann endlich mal in Urlaub …“ Er zuckt mit den Schultern und seine Frau Veronika, genannt Vroni, fällt ihm ins Wort: „Und da kommt er daher und will als Hirte auf die Alpe …“ Ihr Mann übernimmt wieder: „Du spinnst doch, hat sie gesagt!“ Veronika Riedmann schüttelt den Kopf, wirkt aber eher amüsiert als verärgert.

So ist er halt, der Martin. In der Landwirtschaft groß geworden, zusammen mit seinen beiden Brüdern oft hoch oben auf dem Berg gewesen, der Vater Alpmeister auf der Lustenauer Alpe. Martin war erst nur an den Wochenenden „droben“ auf 2000 Metern, seit dem zwölften Lebensjahr aber regelmäßig im Sommer. „Das hat er drin“, sagt seine Frau, was ziemlich glaubwürdig klingt, wenn man sich Martin Riedmann so anschaut. Ein starker Kerl ist er, große Hände, kerniger Teint, eine Sprache, die bei aller Wärme ein bisschen knarzt und brummt. Und manchmal ist auch der Dialekt ganz schön kräftig. Weshalb die Vroni gleich anbietet, besonders schwer verständliche Passagen für den Besuch zu übersetzen. Aber das ist überhaupt nicht nötig: Martin Riedmann macht sich verständlich, auf eine schlichte, aber umso nachdrücklichere Weise. „Das haben wir dann halt einfach gemacht“, sagt er. Immer den ganzen Sommer über, 100 Tage, mehr oder weniger.“ Mit der Frau und seinen beiden Töchtern Selina, und Sabrina, zieht er hinauf auf die Alpe Albona bei Langen am Arlberg und passt zusammen mit Hund Max auf 180 Rinder, 64 Pferde und 10 Ziegen auf. Bis zuletzt war auch der älteste Sohn Christoph noch mit dabei, doch der macht jetzt eine Lehre als Elektriker und kommt nur an den Wochenenden. Auch die Katze Lilly, drei Zwerghasen und die Cousine Linda sind mit an Bord. Aus Überzeugung, weil’s einfach schön ist, wie sie auf Nachfrage bestätigen. Langweile? Ein Fremdwort, auch für die Kinder.

Familie Riedmann Alpe Albona © Darko Dodorovic / Vorarlberg Tourismus

Die Riedmanns leben im Sommer auf der Alpe – das fünfte Kind ist zu Besuch da

Morgens um sechs geht‘s wieder hoch, mit der Sonne, zu den Rindern, den Pferden nach. 

Martin Riedmann

Was genau ist es, was die Riedmanns jedes Jahr hoch auf den Berg zieht? „Ich hab’ mir das eigentlich nie vorstellen können“, antwortet Vroni Riedmann. Doch weil ihr Mann es sich so sehnlichst wünschte, willigte sie 2002 ein wenig skeptisch ein, mit hinauf auf die Alpe zu kommen. Danach war keine Überzeugungsarbeit mehr nötig: „Es ist doch grad schön hier!“, sagt sie und begründet, warum die Monate im Sommer zu den schöneren im Jahr gehören: „Warum ich vor allem gern geh’, ist die Familie. Man ist viel mehr zusammen, man hockt beieinander und redet und isst. Die Kinder sind bei den Tieren, in der Natur; bauen einen Staudamm, pflücken Blumen, sammeln Heidelbeeren, sind im Stall mit den Tieren beschäftigt – alles passiert immer gemeinsam. Zu Hause hat jeder sein Zimmer, den Computer – das gibt’s hier alles nicht.“

Martin Riedmann nickt. Alles wahr, alles richtig. Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum es ihn immer wieder in die Einsamkeit der Alpe zieht. Er arbeitet gern hart im Einklang mit der Natur. Und er ist ein Mann, der gerne selbst entscheidet, wie er seinen Tag anlegt: „Du bist halt ein bisschen dein eigener Herr, du musst mit der Natur schaffen!“

Dass die Riedmanns das können, haben sie auch ihren Arbeitgebern zu verdanken. Martin Riedmann war 20 Jahre im Baugewerbe, kann Kran fahren, hat den Lkw-Führerschein. An Arbeit hat es ihm nie gemangelt, auch wenn er im Sommer auf der Alpe war. Seit ein paar Jahren fährt er Lebensmittel für eine Firma aus. Und auch Veronika arbeitet, ihr Chef ist außerdem Jäger. „Unsere Arbeitgeber haben selbst einen guten Bezug zur Natur und somit Verständnis für uns“, sagt Riedmann und ist dankbar: „Firmen, die das mitmachen, wenn ich sag, ich hau’ für 100 Tage den Hut drauf, das gibt’s nicht so oft.“ Selber jagen und auf der Alp den Speiseplan der Familie auffrischen ist allerdings nicht seine Sache, mal ganz abgesehen davon, dass er das gar nicht dürfte: „Ich schaue lieber den Gämsen und den Adlern und all dem Viehzeug zu, statt es umzubringen.“

Alpe Albona Langen Fam. Riedmann © Darko Dodorovic / Vorarlberg Tourismus
Alpe Albona Langen am Arlberg © Darko Dodorovic / Vorarlberg Tourismus

Hüttenromantik? Jawohl! Aber alle müssen helfen, sonst funktioniert das Leben auf der Alpe nicht.

Den Riedmanns fehlt nichts, weder die Menschen im Tal noch Geld, das sich hier oben natürlich nicht so üppig verdienen lässt, wie das in einem anderen Leben für einen Mann wie ihn möglich wäre. „Geld ist eine feine Sache, aber du musst in erster Linie aus Überzeugung auf die Alpe gehen“, sagt er. Die Wanderer, die auf dem Weg zur Kaltenberghütte bei den Riedmanns Rast machen, bewirtet die Vroni gern – aber sie genießt es auch, wenn anschließend wieder Ruhe einkehrt. Auf der Alpe gibt’s eine Brettljause und ein Getränk für kleines Geld. „So haben wir ein Zubrot, um gut über den Sommer zu kommen“, erzählt Veronika Riedmann, „aber am Abend sind wir dann wieder nur wir, das ist das Feine.“

Um zehn ist der ganze Clan im Bett, halb sechs, sechs geht’s wieder hoch, mit der Sonne, zu den Rindern und den Pferden nach. Beschwerlich ist das schon, aber auch gesund für Tier und Mensch: „Je höher wir in den Fels kommen, um so anstrengender ist es“, sagt Martin Riedmann, man müsse sich das vorstellen wie ein Konditionstraining für die Tiere. Und er kennt auch eine Bauernweisheit dazu: „Das Gras vom Stein bringt das Fleisch ans Bein!“ Stress allerdings, den kenne man auf der Alpe nicht. Nur gute Beine müsse man haben. „Wenn die Füße anfangen zu plagen, musst du aufhören!“ Und, ist der Tag schon absehbar, an dem die Familie Riedmann beschließt, auch im Sommer unten im Tal zu bleiben? Der Hirte kratzt sich am struppigen
Bart, überlegt und sagt dann, vollkommen ernst: „Die nächsten 100 Jahre vermutlich nicht.“

Selina Riedmann, Alpe Albona © Darko Dodorovic / Vorarlberg Tourismus

Tochter Selina Riedmann mag den Sommer auf der Alpe

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