Lech Zürs am Arlberg: Skyspace Lech
Der kuratierte Himmel
Der US-amerikanische Künstler James Turrell ist für seine Skyspaces weltberühmt. Seit einigen Jahren können Besucher das surreale Wechselspiel aus Farblichtern und Himmelsblicken auch oberhalb von Lech erleben.
TEXT: CHRISTIAN HAAS
Wo hört die Erde auf, wo fängt der Himmel an? Mit dieser Frage beschäftigt sich James Turrell seit Jahrzehnten. Und zieht mit seinen Kunstwerken Zehntausende in seinen Bann. So auch im 2018 eröffneten „Skyspace-Lech“, das insbesondere bei Sonnenauf- und -untergang ein Spektakel bietet. Eines, das man im ersten Moment gar nicht als solches erkennt. Wohl aber, wenn man sich Zeit nimmt für den etwa sechs mal neun Meter großen Raum und das Loch, das sich fünf Meter über dem schwarzen Granitboden befindet. Wenn man verschiedene Positionen auf der umläufigen Sitzbank einnimmt. Die Situation und die wechselnden Farben der Lichtanlage auf sich wirken lässt. Die Blickwinkel hinauf verändert. Tief ein- und ausatmet. Gedanken schweifen lässt.
Zeit, Wahrnehmung, Farben – alles verschwimmt
Renée Jud führt regelmäßig (Klein-)Gruppen in den ovalen, in den Berg gebauten „Skyspace-Lech“ und weiß: „Die allermeisten Besucher brauchen erst etwas, um die Einmaligkeit des Ortes zu verstehen.“ Dann aber verfallen sie meist in eine meditative Stimmung. Werden ruhiger, werden leiser und können kaum aufhören, nach oben zu blicken. Dort wo die mittige, elliptische Öffnung, deren weite, weiße und makellos gewölbte Umrandung von einer ausgefeilten Lichttechnik permanent anders beleuchtet wird. Wobei die sanften Farbtöne geschmeidig ineinander übergehen und dabei stets neue Stimmungen erzeugen. Und zum Denken anregen. Welche Farbe hat der Himmel? Kann man mit den Augen fühlen? Und eben die Turrellsche Grundfrage: Wo hört die Erde respektive der Raum auf und wo fängt der Himmel an?
Fakt: Berge sind von der umlaufenden Sitzbank nicht zu sehen. Nur wie es draußen – offenbar – langsam heller wird. „Im ,Skyspace‘ sieht es immer anders aus“, weiß Renée, „abhängig vom Wetter, von der Jahreszeit, von der Tageszeit.“ Am eindrucksvollsten, meint sie, sei die rund ums Jahr und dank schließbarer Kuppel selbst bei Regen und Schnee für alle kostenlos zugängliche Installation in der Dämmerung. Und wenn nicht so viel los ist. Vorteil Frühschicht: Da nicht jeder gewillt ist, vor dem Hahnenschrei aufzustehen und noch im Stockdunklen von Oberlech hinauf zum Tannegg-Hügel zu spazieren, stehen die Chancen auf geringere Besucheranzahl morgens besser als abends.
Vorhang auf für die erwachte Bergwelt
An die 100 Skyspaces hat James Turrell, einer der bedeutendsten Lichtkünstler der Welt, mittlerweile geschaffen. Wobei nicht wenige meinen, dass der 2018 in Lech eröffnete der Schönste sei. Unfassbar schön jedenfalls ist es, mit steifem Nacken und besoffen von den Farbspielen durch den 15-Meter-Tunnel von dem Raum hinauszutaumeln in die taghelle Bergwelt. Wohin gucken vor lauter Gipfelpracht? Eyecatcher Nummer eins: der Biberkopf mit der ältesten Walsersiedlung zu dessen Füßen. Die eigenen frösteln womöglich ein wenig, bei den frischen Temperaturen. Doch versprochen: Beim schnellen Gang zum Hotel wird es rasch warm, erst recht bei dem Gedanken, ein reichhaltiges Frühstück zu bekommen – und sich danach nochmal ins Bett zu kuscheln, um all die Eindrücke zu verarbeiten.