Propstei St. Gerold
Bene volentia
TEXT: Renate Breuß und Marina Hämmerle
Kaum ein Ort in Vorarlberg verdichtet so viel an Wissen, Kultur und Geist wie die Propstei St. Gerold im Großen Walsertal. Im Benediktiner Ableger des berühmten schweizerischen Klosters Einsiedeln wird bene volentia – „Das Wohl des anderen wollen“ – seit Jahrhunderten gelebt. Der christliche Leitspruch durchzieht das Handeln und Leben dieser Gemeinschaftsanlage, inspiriert die Menschen, die dort aus- und eingehen, prägt Haus und Garten, Küche und Kultur.
Seit der Gründung vor rund 1000 Jahren ist die Propstei einem ständigen Wandel unterworfen, die ursprüngliche Anlage wurde in unzähligen Etappen erweitert und überformt. Im letzten Jahrzehnt wurde mit Architekt Hermann Kaufmann eine umfassende Erneuerung begonnen, dabei wurde der Bestand ertüchtigt, erweitert und teilweise rückgeführt auf ursprüngliche Gestaltungskonzepte. Auf den in den 1950er-Jahren einsetzenden Tagestourismus reagierte man in der Propstei mit Übernachtungsmöglichkeiten und einem Gastbetrieb. Im Zuge der Erneuerungsphase erhielt dieser Bereich ein freundliches, modernes Innenleben.
Neben spiritueller Nahrung in Form von Büchern werden im angeschlossenen Laden auch hausgemachte Spezialitäten aus der Region angeboten. Escherne Holzriemenböden, massive Eichenmöbel und eine ruhige, klare Formensprache verbildlichen das vorherrschende Credo von Einfachheit und Naturbezogenheit im gastfreundlichen Ambiente.
In den Gaststuben mischen sich Seminargäste und Tagesausflügler, auch der reformfreudige Prior, Pater Martin Werlen, und seine beiden Führungskräfte David Ganahl und Nathalie Morscher stärken sich beim gemeinsamen Mahl an fein zubereiteter saisonaler Gerichte, von klassisch bis zeitgemäß vegetarisch.
Das Essen strukturiert die Tage und schenkt dem Körper Wohlbefinden. Im neu nach Hildegard von Bingen angelegten Kräutergarten ist das Grün ein Symbol für körperliche und geistige Gesundheit. Der öffentlich zugängliche „Laudato si Garten“ ist ein Statement zur Sorge um das ganze Haus – die Umwelt, das Klima, die Biodiversität. Genauso wie das hier integrierte und wiederbelebte Bienenhaus. Alles im Sinne der 2015 von Papst Franziskus herausgegebenen Umweltschöpfungsenzyklika.
Das geschichtsträchtige Gebäude-Ensemble und der Naturraum bilden einen inspirierenden Lebensraum, den Rahmen für Seminare und Kulturveranstaltungen. In der Propstei St. Gerold lässt es sich gut denken, entspannen und essen.