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Bus Hittisau-Sibratsgfäll © Dietmar Denger / Vorarlberg Tourismus

Grand Tour durch den Bregenzerwald

Sightseeing mit dem Bus

Vorarlberg Magazin
Hop-on-Hop-off

Erfahrungsbericht

Der öffentliche Verkehr genießt in Vorarlberg einen außergewöhnlich hohen Stellenwert, Einheimische wie Gäste vertrauen gleichermaßen auf das dicht getaktete Netz, das Destinationen in Städten und im ländlichen Raum engmaschig miteinander verknüpft. Als sichtbares Zeichen für die Zusammenhänge der Region wurden alle Fahrzeuge, Haltestellen und Signale in konsequent durchdachte Gestaltungskonzepte eingebunden, die so sorgfältig und übersichtlich aufeinander abgestimmt sind wie die Fahrpläne der verschiedenen Akteure.

TEXT: TINA MOTT


Der Busfahrer tritt sanft auf die Bremse, hält nochmals an und lässt zischend die Doppeltüre aufspringen. Ein Blick in den Rückspiegel hat ihm verraten, dass zwei verspätete Reisende keuchend seinem Fahrzeug hinterherrennen. Unsere überschwänglichen Dankesworte nimmt er mit freundlichem Lächeln entgegen: „Bei üs luagt ma ufanand.“

Heute haben wir uns dazu entschlossen, das Auto einfach mal stehen zu lassen, um völlig sorglos von den Transportunternehmen im Vorarlberger Verkehrsverbund chauffiert zu werden. Wir möchten während der Fahrt entspannt plaudern und die Landschaft betrachten, ohne uns um Routenplanungen, quengelige Navi-Anweisungen oder Parkplätze kümmern zu müssen.

Nach einer kurzen Zugfahrt durch die mit reifen Äpfeln und Kirschen schwer behangenen Obstgärten des Rheintals sind wir von unserem Ausgangsort Dornbirn in der Festspielstadt Bregenz angekommen. Und diese herrliche Aussicht von der Bahnhofspasserelle über den in Morgenlicht metallisch schimmernden Bodensee wäre uns fast zum Verhängnis geworden.

Rigoletto, Seebühne, 2019/2021, Festivals, Kultur Vorarlberg (c) Anja Köhler / Bregenzer Festspiele
Bregenz am Bodensee, Skulptur von Herbert Albrecht, Stadtführung (c) Petra Rainer I Bodensee-Vorarlberg Tourismus GmbH

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Vom Bodensee bis in den Bregenzerwald.

Nun sitzen wir im zitronengelben Landbus Nr. 820 und kurven durch langgestreckte Serpentinen über die Sonnenterrasse der Landeshauptstadt in Richtung des etwa 300 Höhenmeter über dem Talboden gelegenen Bregenzerwaldes.

Unser Chauffeur lässt sein Gefährt lässig um die Kehren sausen, kommt uns einer seiner Kollegen entgegen, heben beide entspannt die Hand und kreuzen sich mit elegantem Schwung um Haaresbreite. Beim erstem Mal halten wir noch die Luft an, doch dann nehmen wir es genau so gelassen wie die Damen und Herren hinter den Lenkrädern. Hier wird Vorarlberger Maßarbeit geleistet.

Oben angekommen schweifen unsere Blicke über eine weiträumige Kulturlandschaft, in die kompakte Siedlungsstrukturen eingebettet liegen. Zerfahrene Fetzen des Morgennebels ziehen noch durch die tiefen Senken zwischen den Berg- und Hügelketten, die von Fichten und Tannen in dunklen Blautönen schattiert werden. Wer genau hinzusehen weiss, erkennt die Spuren der traditionellen Dreistufenwirtschaft aus Heimgut, Maisäss und Alp, welche als immaterielles Kulturerbe im Verzeichnis der UNESCO geführt wird.

Erste zaghafte Sonnenbahnen streifen über die sorgsam gepflegten Häuser, vor denen bereits Betten gelüftet und farbenprächtige Balkonblumen gewässert werden. Durch die Zwischenräume der Lattenzäune blitzen Bohnen, Weisskohl und Rhabarber in frisch geharkten Beeten.

Schwarzenberg mit Vorderwald © Oberhauser Photography / Vorarlberg Tourismus

Frühmorgens im Bregenzerwald

Das erste Ziel unserer Reise ist das langgezogene Strassendorf Krumbach. Dort wurde in engem Dialog mit der Bevölkerung das mehrfach ausgezeichnete Projekt BUS:STOP konzipiert und umgesetzt. Sieben international renommierte Architekten verwirklichten gemeinsam mit einheimischen Kollegen und Handwerkern aussergewöhnlich gestaltete Wartehäuschen, die natürlich mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln besonders bequem zu erreichen sind.

Bereits von weitem erkennen wir den gläsernen Pavillon des Chilenen Smiljan Radic an seinem Dachaufbau für designbegeisterte Brutvögel an der Haltestelle Zwing und machen uns zum Aussteigen bereit. Von dort wandern wir einfach der Strasse entlang, bis wir nach einer ausführlichen Runde durch den historischen Dorfkern und der Besichtigung aller weiteren baukünstlerischen Objekte beim weissen Stahlstangen-Wald des Japaners Sou Fujimoto in Bränden ankommen und nach exakt zwei Stunden und sieben Minuten wieder in den Bus einsteigen, um nach Hittisau weiterzufahren. So viel Kultur macht hungrig, das Mittagessen wartet.

Eine halbe Stunde später strecken wir unsere Beine unter einen der Holztische in der lichtdurchfluteten Stube des traditionsreichen Gasthofs Krone, den der Architekt Bernardo Bader in mehreren Etappen behutsam umgebaut und erweitert hat. Dieser Ort wurde uns bereits von verschiedenen Stammgästen empfohlen, weil man hier nicht nur ganz hervorragend isst und nächtigt, sondern das Wirtepaar den Familienbetrieb mit einem aussergewöhnlichen Mass an Herzblut und Kreativität zu führen weiss.

Bus:Stop Krumbach, Zwing © Albrecht Imanuel Schnabel / Vorarlberg Tourismus
Busstop Krumbach, Bränden © Albrecht Imanuel Schnabel / Vorarlberg Tourismus
Busstop Krumbach, Bränden © Albrecht Imanuel Schnabel / Vorarlberg Tourismus
Neue Gaststube im Hotel Gasthof Krone, Hittisau © Adolf Bereuter / Krone Hittisau

Bus:stop Krumbach, Haltestelle Zwing

Bus:stop Krumbach, Haltestelle Bränden

Bus:stop Krumbach, Haltestelle Bränden

Gasthof Krone in Hittisau

Nachdem wir mit viel Genuss und ein wenig schlechtem Gewissen die frischen Forellen verschmaust haben, die uns bei der Ankunft noch munter aus dem Aquarium beäugten, setzt sich der Gastgeber Dietmar Nussbaumer zum Espresso und sündhaft guten Zwetschken-Tiramisu an unseren Tisch. Wir sprechen über die im Haus veranstalteten Lesesalons und Marcel Proust Tage, zeitgenössische Baukultur und regionales Handwerk, bildende Kunst und Kammermusik. Als er uns zum Abschied noch ein sorgfältig gestaltetes Büchlein der hauseigenen Edition in die Hand drückt, haben wir längst schon verstanden, warum sich die Menschen hier so wohl fühlen.

Er gibt uns mit auf den Weg, Österreichs einziges Frauenmuseum auf der gegenüberliegenden Seite des Dorfplatzes zu besuchen, das sein 20-jähriges Bestehen aktuell mit einer hervorragend kuratierten Schau zum Thema Geburtskultur feiert. Die vielschichtig inszenierte Ausstellung lädt uns auch gleich zum wissenschaftlichen Erkunden und sinnlichen Erfahren ein, hier werden die unterschiedlichsten Aspekte des Themas klug und doch spielerisch miteinander verwoben. Auf unserem Weg zurück zur Bushaltestelle schlendern wir an einem geheimnisvollen, von blutroten Holzschindeln eingehülltem Lehmobjekt vorbei, der Raum für Geburt und Sinne der jungen Baukünstlerin und Hebamme Anka Dür ist als Prototyp für ein ganzheitliches Gebärhaus gedacht.

Für die nächste Etappe unserer abenteuerlichen Rundfahrt erlauben wir uns einen kleinen Umweg über Andelsbuch, auch wenn wir dafür innerhalb von 30 Minuten zwei Mal den Bus wechseln müssen. Doch wie bereits vermutet, funktionieren alle Anschlüsse reibungslos und wir schwingen durch das perfekt getaktete Netz des Vorarlberger Verkehrsverbundes wie kühne Trapez-Artisten.

Die Wahl unserer Route erlaubt es, wenigstens einen raschen Blick auf eine der markantesten Pilgerstätten des internationalen Architekturtourismus zu werfen. Das gehäufte Auftreten von ernst blickenden Hornbrillen-Trägern in schwarzen Rollkragenpullovern verrät uns schliesslich, Peter Zumthors heilige Hallen sind nicht mehr weit. Der aussergewöhnlich konsequent gestaltete Bau für die regionale Handwerkervereinigung Werkraum Bregenzerwald lässt dann auch unseren Atem stocken, an der kraftvollen Synthese von gelassener Grosszügigkeit und präziser Detailarbeit erkennt man den Meister.

Frauenmuseum Hittisau
Ausstellung 2021 Geburtskultur (c) Frauenmuseum Hittisau - Angela Lamprecht

Ausstellung 2021: "geburtskultur. vom gebären und geboren werden" im Frauenmuseum Hittisau

Am späten Nachmittag fährt der Bus schliesslich auf den Dorfplatz von Schwarzenberg, der von stattlichen Bürger- und Bauernhäusern gesäumt ist. Gerade noch rechtzeitig, um uns für die letzte Führung anzumelden, erreichen wir das Angelika Kauffmann Museum, welches in einem der traditionellen Einhöfe eingerichtet ist. Das Thema der aktuellen Ausstellung spricht uns als Entdeckungsfahrer natürlich besonders an: die Grand Tour!

Bereits die liebenswürdige Dame am Empfang weiss mit spannend erzählten Geschichten aus dem Leben der eigenwilligen Künstlerin zu fesseln, bevor uns ihre Kollegin durch die sorgfältig gestaltete Ausstellung begleitet. Neben zahlreichen Ölgemälden und Skizzen betrachten wir in einer der Vitrinen die antike Steinschloss-Pistole aus Zeiten, als das Reisen noch mit erheblichen Gefahren verbunden war. Wir staunen ehrfurchtsvoll und sind froh, dass unsere Grand Tour durch den Bregenzerwald ausgesprochen friedlich verlaufen ist.

Zum Ausklang unserer Fahrt lassen wir uns im behaglichen Bistro des historischen Gasthofs Hirschen mit cremigem Pilzrisotto und saftiger Salsiccia verwöhnen. Und da wir die sichere Heimreise nach Dornbirn gerne wieder in die erfahren Hände eines unserer Buschauffeure legen, werden wir wohl noch einen Blick in den gut sortierten Weinkeller werfen.

Häuserensemble in Schwarzenberg Oberkaltenberg, Urlaub in Vorarlberg (c) Johannes Fink - Bregenzerwald Tourismus
Angelika Kauffmann Museum, Schwarzenberg © Kristina
Hirschen Schwarzenberg Gaststube © Angela Lamprecht / Vorarlberg Tourismus

Angekommen in Schwarzenberg

Angelika Kauffmann Museum

Letzter Stop: Gasthof Hirschen in Schwarzenberg

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Die Region

Bregenzerwald

Der Bregenzerwald ist die Region für Liebhaber der schönen Dinge. Beliebt bei Skifahrern und Wanderern. Bekannt für das überraschende Miteinander von alter und neuer Architektur, das innovative Handwerk und die KäseStrasse. Außergewöhnlich: das Werkraumhaus in Andelsbuch. International: die Schubertiade in Schwarzenberg.

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