C Abschlusszeremonie Performance (c) Weltgymnaestrada 2007
Turnfestival der Herzen
Turner aus aller Welt vom 7. – 13. Juli 2019 zu Gast in Vorarlberg
C Abschlusszeremonie Performance (c) Weltgymnaestrada 2007
Turner aus aller Welt vom 7. – 13. Juli 2019 zu Gast in Vorarlberg
Vorarlberg ist stolz, zum zweiten Mal Gastgeber der World Gymnaestrada zu sein – einem einzigartigen Turnfest, bei dem sportliche Leidenschaft, Spaß und gute Begegnungen mit Menschen aus aller Welt im Mittelpunkt stehen. Die Vorbereitungen laufen auf vollen Touren…
TEXT: STEFAN NINK
Manchmal muss Erwin Reis ganz unvermittelt daran denken, wie fantastisch alles beim letzten Mal funktioniert hat. Dann schleicht sich ein Leuchten in seine Augen, und die feinen Lachfältchen straffen sich, und dann kann der Geschäftsführer der Weltgymnaestrada 2019 gar nicht anders, als erst zu schmunzeln und dann zu lachen und anschließend minutenlang zu strahlen. „Das war ein Fest“ ruft er, „das war eine Woche lang Paradies in Vorarlberg!“ Doch, das ist schon so: Wahrscheinlich müsste man lange suchen, um einen wie ihn noch einmal zu finden. Mit viel Energie, einem – wie er selbst sagt: – sehr stabilen Nervensystem, mit diesem unwiderstehlichen Nichts-ist-unmöglich-Charisma und natürlich mit einem tollen Team hat es Erwin Reis tatsächlich geschafft, die Weltgymnaestrada zum zweiten Mal nach Vorarlberg zu holen. In knapp siebzig Jahren ist das zuvor nur Berlin gelungen.
Mit einem tollen Team hat es Erwin Reis tatsächlich geschafft, die Weltgymnaestrada zum zweiten Mal nach Vorarlberg zu holen.
Schon auf dem Papier ist das das größte Turnfest der Welt. Über 20.000 Turner, Teilnehmer aus über fünfzig Nationen, eine Woche lang. Aber das sind bloß Zahlen. Wer je dabei war bei einer Weltgymnaestrada, wird nie vergessen, was da wirklich passiert. Es kommen ja nicht bloß Tausende Sportler aus Schweden und Brasilien und Südafrika und Australien – es freuen sich ja auch Zehntausende Einheimische auf die Gäste. Heißen sie willkommen. Jubeln ihnen zu. Reden mit ihnen, essen und trinken zusammen, tanzen, singen, lachen.
Eine Weltgymnaestrada ist ein wochenlanges Beispiel für Völkerverständigung. Ein Beweis, dass Menschen verschiedenster Kulturen jenseits von Politik problemlos zusammenfinden können. Und dass es in dieser Ellbogenwelt nicht immer um ein Höher!Schneller!Weiter! gehen muss – das auch. Sämtliche Vorführungen und Shows finden komplett ohne Wertung statt. Bei einer Weltgymnaestrada geht es tatsächlich um das, was das Veranstaltungsmotto auf den Punkt bringt: „Come together! Show your colours!“ Zeigt, was Ihr könnt – und reißt uns mit!
Seit der ersten Weltgymnaestrada 1953 haben das Turnfest im Vier-Jahres-Rhythmus so gut wie immer Metropolen ausgerichtet: Lissabon, Zürich, Helsinki, Berlin, Rotterdam, da war es 2007 schon ein kleines Wunder, dass plötzlich das kleine Dornbirn als Hauptquartier mit Austragungsorten in ganz Vorarlberg ausgewählt wurde. Weil die Menschen im Land damals aber ein Spektakel auf die Beine stellten, über das die Turnwelt noch ewig sprach – auch deswegen kommt die Weltgymnaestrada jetzt zum zweiten Mal.
Die Menschen haben sehr schnell bemerkt, dass hier etwas ganz Wunderbares passiert. Beim letzten Mal hatten wir schon 6.000 ehrenamtliche Helfer. Gut möglich, dass es dieses Mal noch mehr werden.
„Die Menschen haben sehr schnell bemerkt, dass hier etwas ganz Wunderbares passiert“, sagt Marie-Louise Hinterauer, die Gymnaestrada-Präsidentin. „Beim letzten Mal hatten wir schon 6.000 ehrenamtliche Helfer. Gut möglich, dass es dieses Mal noch mehr werden.“ Ganz besonders freut sie sich auf die Teilnehmer, für die es besonders aufwändig ist, nach Vorarlberg zu reisen. Auf die Turner aus Fidschi, Tonga, den Cook Islands und etlichen kleineren afrikanischen Staaten zum Beispiel, die – so erzählt sie – alle eine immense Lebensfreude mit nach Dornbirn bringen. Bei der ersten Gymnaestrada sei ein Busfahrer deswegen sogar Zusatzrunden nach Feierabend gefahren: „Er hatte Turner aus Südafrika im Bus. Die haben damals so wunderschön gesungen, dass er das noch ein wenig länger hören wollte.“
Überhaupt arbeiten sie alle gerade beinahe rund um die Uhr daran, dass die Veranstaltung vom 7. bis zum 13. Juli 2019 zum größten Volksfest wird, das das Rheintal – ach was: das Vorarlberg je erlebt hat. Marcel Bösch zum Beispiel bereitet in Lustenau eines von mehreren Nationendörfern vor. 1.800 Turner werden dort untergebracht, in Schulen, in deren Klassenzimmern jeweils zwölf Feldbetten aufgestellt werden (insgesamt hat man neunzig Schulen im Rheintal für die Übernachtungen reserviert). „Die Lustenauer bereiten ein Rundum-Sorglos-Paket für die Gäste vor“, sagt er, „die Turner müssen sich um nichts kümmern, selbst das Frühstück wird ihnen in aller Herrgottsfrühe von Helfern gebracht.“
Sponsoring- und Marketingleiter Marc Brugger wiederum hat den Gastgeber-Laib erfunden, damit auch Sportler aus finanzschwachen Ländern anreisen können. Von jedem Brotlaib, den Vorarlbergs Bäcker verkaufen, geht ein bestimmter Betrag in einen Fördertopf. Aus dem werden dann die Reisekosten beglichen.
Auf die Idee ist Marc Brugger, Sponsoring- und Marketingchef der Weltgymnaestrada in Vorarlberg, tatsächlich beim Bäcker gekommen. Der Gastgeber-Laib hilft Turnerinnen und Turnern, die Teilnahme beim Sportfest zu ermöglichen. Gymnaestrada-Teilnehmer zahlen ihre Anreise normalerweise selbst, und je nach Herkunftsland kommen dabei Kosten zusammen kommen, die manche nicht tragen können. Die Organisatoren haben deswegen das Rainbow-Projekt gegründet, das die Turner finanziell unterstützt. Und jetzt kommen Vorarlbergs Bäcker ins Spiel. Die haben nämlich ein spezielles Brot entwickelt, Dinkel, Vollkorn, perfekt für Sportler und alle, die sich gesund ernähren wollen. Von jedem verkauften Laib gehen 50 Cents an das Rainbow-Projekt. 115 Bäckereifilialen machen mit, bis Dezember 2018 waren bereits 90.000 Gastgeber-Laibe verkauft – mit dem Geld konnten die Veranstalter Turnverbände aus Nepal, Malawi und Ozeanien einladen. Auch die Bäckereikunden profitieren vom Gastgeber-Laib: Für jedes gekaufte Brot gibt es einen Stempel auf eine Sammelkarte. Ist die voll, darf man sich Premium-Gastgeber nennen – und bekommt eine Freikarte fürs Turnfest.
Karl-Heinz Winkler kümmert sich mit seinem Team um die Transportlogistik. Durch Kooperationen mit dem Vorarlberger Verkehrsverbund (VVV) und den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) sind Veranstaltungen wie die Weltgymnaestrada überhaupt erst machbar. Die Herausforderung ist nämlich, 20.000 Turner und 10.000 Besucher täglich mit Bus und Bahn reibungslos von A nach B zu leiten. Winklers ausgefeiltes ÖV-Konzept für die erste Vorarlberger Weltgymnaestrada 2007 war so erfolgreich, dass es nach der Veranstaltung zum Standard in der Region wurde.
Man braucht eingespielte Partner, Erfahrung und ein gutes Bauchgefühl.
Dieses Mal will Winkler die meisten Busse als Expresslinien direkt in kurzen Taktzeiten (5 bis 10 Minuten) zum Messequartier führen. Alle Züge (4 pro Stunde in beide Richtungen) halten am Bahnhof Schoren. Die Weltgymnaestrada 2019 soll wie 2007 eine nahezu autofreie Veranstaltung werden. Toller Nebeneffekt: Die Ideen und Investitionen, mit denen das Verkehrskonzept für das Turnerfest umgesetzt wird, bleiben den Menschen und den Gästen in Vorarlberg ja auch dieses Mal erhalten.
…da sind sich die Veranstalter sicher. Hunderte Gespräche haben sie im Vorfeld geführt. Einige sind um die ganze Welt geflogen, haben geredet und geworben und am Ende alle überzeugt, dass Dornbirn und das ganze Land die Weltgymnaestrada nach 2007 ein weiteres Mal austragen darf. „Und wir werden allen noch einmal zeigen“, sagt Erwin Reis, „was für wunderbare Gastgeber die Vorarlberger sind.“